Laufende Projekte
Leitung des Projektes: Prof. Dr. iur. Andreas Eicker (Universität Luzern)
Projektpartner:
- Rechtsfakultät der Türkisch-Deutschen Universität Istanbul (TDU)
- Theologische Fakultät der Universität Luzern (TF)
- Lehrstuhl für Islamisch-Religiöse Studien mit textwissenschaftlichem Schwerpunkt und Normenlehre, Department für Islamisch-Religiöse Studien der Universität Erlangen-Nürnberg (DIRS)
Projektbeschreibung: Menschen, die – zum Teil im Familienverbund – von einem Staat in einen anderen immigrieren, treffen am Ort der Ankunft (möglicherweise oder sehr wahrscheinlich) auf ein Rechts- und Normensystem, das sich in verschiedener Hinsicht vom Recht am Ort der Herkunft unterscheidet. Strafrechtlich gesehen mögen insbesondere die Vorstellungen davon, was strafloses ehrenhaftes bzw. strafbares unehrenhaftes Verhalten ist und davon, was unter dem Leitbegriff Ehre zu schützen ist, ganz andere sein.Die Diskussion über Ehrenmord, andere Gewaltdelikte im Namen der Ehre, Paralleljustiz, Burkini- und Burkaverbot, Nichterfüllung der Schulpflicht, verweigertes Handgeben, religiös motivierte Zirkumzision und Zwangsverheiratung sowie die Beleidigung eines fremden Staatsoberhaupts usw. machen deutlich, dass je nach Herkunft und vielleicht auch religiöser Überzeugung die Vorstellungen von ehrenhaft und ehrlos sowie sanktionsunwürdig und sanktionsbedürftig sehr unterschiedlich sein können. Fraglich ist aber, ob es sich bei den angesprochenen Exempeln quasi um Extrembeispiele und damit Einzelfälle handelt, die das lokale Recht nur hier und dort einmal herausfordern, oder ob z.B. die Strafrechtsordnung eines kulturell und religiös islamisch geprägten Landes und die Schweizer Strafrechtordnung sehr viel grundlegender von einem (ganz) unterschiedlichen Ehrbegriff und damit entsprechend differenten Schutzkonzepten ausgehen, die vielleicht sogar religiös geprägt sind. Für die praktische Beurteilung, warum bestimmte Taten geschehen und weshalb die lokale Rechtsordnung auf bestimmtes Verhalten mit Sanktionen reagiert sowie für die Frage, ob Strafe bei Ehrverletzungs- und „Ehrschutzdelikten“ überhaupt Wirkung entfalten kann, ist es notwendig, die ggf. unterschiedlichen Konzepte von Ehre in ihrer strafrechtlichen Bedeutung und Umsetzung einschliesslich des Einflussfaktors Religion offen zu legen und zu verstehen. Andernfalls läuft der Rechtsstaat Gefahr, undifferenziert – d.h. ohne echte Ansehung des Einzelfalls – nach vermeintlich einfachen strafrechtlichen Lösungen zu suchen, wie es zuletzt im Zuge der von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) vorgeschlagenen Umsetzung der sog. Ausschaffungsinitiative zu beobachten war. Der Vorschlag sah dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz widersprechend – und daher rechtsstaatlich bedenklich – vor, kriminelle Ausländer ohne Rücksicht auf eine Härtefallklausel nach Art. 66a StGB des Landes zu verweisen. Die Diversität der – herkunftsbedingten – Vorstellungen von Recht und Unrecht ist gerade in der Schweiz in der jüngeren Vergangenheit immer wieder in öffentlich geführten politischen und rechtlichen Debatten deutlich geworden. Das Kriminal- und Verwaltungsstrafrecht sehen sich bspw. mit der Frage konfrontiert, ob es für das zur Wiederherstellung der Familien- oder persönlichen Ehre begangene Gewaltdelikte (z.B. Ehrenmord, Blutrache) einen Strafrabatt für den Täter geben soll, sofern solche Delikte nicht ohnehin informell von einer Paralleljustiz bewältigt werden. Fragen wirft auch das von einem Schüler oder einer Schülerin der Lehrerin oder dem Lehrer gegenüber verweigerte gegengeschlechtliche Handgeben zur Begrüssung auf. Ist dies ein mit Busse zu ahnendes ehrloses oder gerade ein ehrerbietendes – und daher nicht sanktionsbedürftiges – Verhalten der fremden Frau bzw. dem fremden Mann gegenüber? Genauso wird darüber gestritten, ob der Vater, der seiner Tochter die Teilnahme am gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterricht untersagt, damit – ohne Sanktionsbedarf – die Geschlechts- bzw. Frauenehre der Tochter (oder gar der Familienehre) schützt oder ob es sich dabei um eine mit Busse zu ahnende Nichterfüllung der Schulpflicht handelt. Ebenso wird die Frage diskutiert, ob eine Frau, die eine Vollverschleierung trägt und damit ihr Gesicht nicht offen zeigt, ihren (potentiellen) Gesprächspartner gegenüber zu wenig Ehrerbietung bzw. Respekt erweist, so dass sie (deshalb) für das Tragen dieses rituellen oder sogar religiösen Kleidungsstücks mit einer Bussenzahlung zu sanktionieren ist. Bei anderem Verständnis wird solche Kleidung gerade zum Schutz der Ehre getragen, welche eine Frau deshalb straflos anlegen dürfen sollte, wie z.B. auch einen sog. Burkini. Umstritten ist auch die Frage, ob die rituelle Knabenbeschneidung aus Ehre dem Jungen gegenüber sowie schützenswerter religiöser Überzeugung geschieht und daher zu rechtfertigen ist oder ob es sich dabei – vergleichbar mit der weiblichen Genitalverstümmelung – um eine nach Schweizer Recht strafbare Körperverletzung handelt (zur weiblichen Genitalverstümmelung vgl. neu Art. 124 StGB). Auch mit Blick auf die Zwangsverheiratung kann gefragt werden, ob die wohl überlegt arrangierte Ehe dem Erhalt der Familienehre dient oder eine strafbehördlich zu verfolgende Straftat ist. Der Fall des Satirikers Böhmermann hat schliesslich Anlass dazu gegeben, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wo die Grenze zwischen Kunstfreiheit und strafbarer Ehrverletzung eines fremden Staatspräsidenten verläuft. Die Schweizer Gesellschaft ist ohne Zweifel seit langem eine von Einwanderung geprägte Gesellschaft. Der Anteil einer ausländischen Wohnbevölkerung und von Schweizer Bürgern mit einem Migrationshintergrund ist im europäischen Vergleich hoch. Aktuell führen auch die Fluchtbewegungen aus dem Nahen und Mittleren Osten zu einer weiteren Einwanderung und Integrationsherausforderungen.
Leitung des Projekts: PD Dr. Abbas Poya, PD Dr. Robert Langer
Laufzeit: ab 2016
Mitarbeiter: Benjamin Weineck
Projektbeschreibung: So lautet das Oberthema eines gemeinsamen Forschungsprojektes der Erlanger Nachwuchsforschergruppe „Norm, Normativität und Normenwandel“ unter der Leitung von Herrn PD Abbas Poya und der Bayreuther Nachwuchsforschergruppe „Islamische Gegenwartskulturen“ unter der Leitung von Herrn PD Dr. Robert Lange. Während wir in Erlangen insbesondere ethisch-normative Fragen in der islamischen Theologie wie Gerechtigkeit, Ijtihad und Gottes Attribute behandeln, arbeitet die Bayreuther NFG vielmehr mit empirischen Methoden zu islamischen aber insbesondere schiitischen Gegenwartskulturen in Europa und vor allem in Deutschland. Im Sommer 2016 fanden die ersten Gespräche für eine Kooperation statt. Mit Blick auf unsere bisherigen Arbeitsschwerpunkte und auf die Frage der Nutzbarkeit haben wir uns für das Thema „Lehr- und Lernkulturen im Islam“ als ein gemeinsames Forschungsprojekt entschieden. Nach einigen gemeinsamen Sitzungen und intensiven Gesprächen über die Relevanz und Praktikabilität des Forschungsvorhabens haben wir u.a. beschlossen, regelmäßig und zumindest einmal im Jahr einen Workshop zu veranstalten, um das Thema mit den eingeladenen FachreferentInnen zur Diskussion zu stellen. Bei diesem Forschungsprojekt werden insbesondere den folgenden Fragen nachgegangen: welche Lehr- und Lernmechanismen, -systeme, und –strategien gibt es in den muslimischen Traditionen, wie werden sie angewandt, wie können sie im europäischen/deutschen Kontext und in einer sich ständig ändernden Welt brauchbar gemacht werden? In diesem Zusammenhang sind auch Fragen der Kommunikationsmechanismen, Netzwerke, Verhältnisse zwischen den Lehrenden und den Studierenden wichtig. Eine andere Frage wäre, wie die islamischen Lerninhalte in einem sozialen oder akademischen Umfeld, das stark multikulturell und multireligiös geprägt ist, zu vermitteln sind.Bereits im November 2016 fand der erste Workshop mit dem Titel „Dynamiken islamischer Lehr- und Lernkulturen“ statt. Dabei wurden u.a. folgende Themen debattiert: „Relevanz von Kontexten und Strukturen für das rekonstruierende Verstehen von Bildungsprozessen“, „informelle Lerngemeinschaften“, „Kritikfähigkeit in der islamischen Lehrtradition“, sowie „bildungstheoretische Ansätze bei den klassischen und modernen muslimischen Gelehrten“. Im April 2018 findet der zweite Workshop mit dem Titel: „Toleranz und Grenzziehung: Positionen zu islamischer Einheit und Vielfalt“ statt. Hier werden einerseits theoretische Fragen wie „die Einheits- und Vielfaltsgedanken im Islam“ und „das Konzept der ahl al-qibla und die Pluralität der umma“ diskutiert. Auf der anderen Seite werden praktisch relevante Themen wie „islamische Gefängnisseelsorge“ oder „Pluralismus und religiöse Erziehung im Klassenzimmer“ besprochen.Es sind noch zwei weiteren Tagungen geplant, die im Jahre 2019 bzw. 2020 abgehalten werden. Die Forschungsergebnisse werden am Ende in einem Sammelband veröffentlicht.
Leitung des Projekts: Prof. Dr. Maha El Kaisy-Friemuth, DIRS, FAU Erlangen-Nürnberg, Jun. Prof. Dr. Muna Tatari, Universität Paderborn, Dr. Idris Nassery, Universität Paderborn
Mitarbeiter in Erlangen: Post Doktorand Muhammed Abdelfadeel Abdelrahem, DIRS, Hilfskraft. Doktorand Muhammed Ragab, DIRS
Laufzeit: 01. April 2020 – 31.März 2022
Projektbeschreibung:
Einleitung
Auch, wenn Recht und Theologie sich schon früh in eigenständige Subsysteme islamischer Wissenschaft ausdifferenziert haben, kann man in der gesamten islamischen Geistesgeschichte eine wechselseitige Beeinflussung beider Seiten erkennen. Das Recht wird durch theologische Vorgaben und systematische Begründungsleistungen beeinflusst. Die Theologie verändert sich durch die Rechtsphilosophie und wird durch Rechtsdiskurse geerdet. Oft sind die Rechtsgelehrten zugleich auch theologisch versiert, so dass die wechselseitigen Beeinflussungen nur selten bewusst geschehen und erst durch den analytischen Zugriff auf ihre Arbeiten sichtbar werden. Daher sind die Wechselwirkungen von Recht und Theologie nur selten auf der Oberfläche erkennbar und im islamisch-theologischen oder auch islamwissenschaftlichen Denken wenig reflektiert.
Die AIWG Shortterm-Forschungsgruppe „Zur Dynamik der Tradition. Die Beziehung zwischen Recht und Theologie“ möchte diese verborgenen Interdependenzen ans Tageslicht bringen, indem sie in einem Längsschnitt repräsentative Stationen islamischer Gelehrsamkeit betrachtet. Dabei sollen Rechtsgelehrte aus der schafi’itischen und malikitischen Rechtsschule, die aus unterschiedlichen theologischen Schulen und Regionen kommen, verglichen werden.
Ziele
Ziel des Forschungsvorhabens ist es herauszufinden, wo Wechselwirkungen zwischen beiden Disziplinen bestehen und wie diese funktionieren. Durch diese textanalytische und forschungsgeschichtliche Arbeit hofft die Forschungsgruppe zeigen zu können, wie überzeugend die islamische Tradition sowohl im rechtlichen als auch im theologischen Bereich diskursiv begründet ist. Deutlicher als bisher soll herausgestellt werden, dass die islamischen Rechtsbestimmungen einer theologischen und ethischen Begründung fähig sind und in der Tradition oft durch diese beeinflusst wurden. Zudem wird sich zeigen, wie vielfältig die Reflexion muslimischer Glaubensinhalte durch Praxis und Recht geprägt ist, so dass ihre Verankerung im Alltag der Glaubenden sichtbar wird.
Die Projektwerkstatt „Professionalität von Lehrkräften des Islamunterrichts an öffentlichen Schulen“ ist ein gemeinsames Forschungsprojekt des Departments für Islamisch-Religiöse-Studien (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und des Instituts für Islamische Theologie (Universität Osnabrück), das für ein Jahr von der Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft ermöglicht wird. Es wird geleitet von Prof. Tarek Badawia (FAU Erlangen-Nürnberg), unter Mitarbeit von Said Topalovic (FAU Erlangen-Nürnberg) und Jörg Ballnus (IIT Osnabrück).
Projektbeschreibung
Mehr als ein Jahrzehnt haben staatliche Schulen Erfahrungen mit religionspädagogischen Ansätzen im Islamunterricht gesammelt. Jetzt stehen Modellversuche in verschiedenen Bundesländern nach Ablauf ihrer Projektlaufzeiten am Scheideweg. Zum selben Zeitpunkt erhält nicht nur der religionspolitische Diskurs um die fehlende Anerkennung einer islamischen Religionsgemeinschaft, die nach Art. 7 GG als Träger des Religionsunterrichts fungieren soll, Antrieb. Es entfachte sich darüber hinaus eine religionspädagogische Debatte um das Fachprofil des Islamunterrichts und über die Professionalisierung der Lehrkräfte. Beide Aspekte sind für die Zukunft des Islamunterrichts gleichermaßen zentral.
Mit Ausnahme einzelner Evaluationsberichte liegen bisher kaum systematische Erhebungen und Analysen zur Frage der Professionalität von Lehrkräften vor. Die Projektwerkstatt „Professionalität von Lehrkräften des Islamunterrichts an öffentlichen Schulen“ nimmt dieses Forschungsdesiderat nun in den Blick. Folgender Forschungsfrage wird die Projektwerkstatt dabei nachgehen: „Wie verorten sich Islamlehrer_innen angesichts des eigenen religionspädagogischen Verständnisses von Lehrerprofessionalität im Spannungsfeld staatlicher und theologischer Erwartungen?“
Das Ziel der Studie ist es, die Erfahrungen der Lehrkräfte über einen qualitativ-empirischen Zugang zu erheben und sie in die allgemeine professionstheoretische und religionspädagogische Theoriebildung einzubinden. Diese ersten theoriebildenden Arbeiten sollen eine Grundlage für weitere Forschungsschritte zur Thematik schaffen.
Basierend auf Ergebnissen der Datenanalyse sollen im weiteren Schritt der Projektwerkstatt ein empirisches Konzept für ein bundesweites Forschungsprogramm erarbeitet werden, das in Form eines umfassenden Forschungsantrages vorgelegt werden soll.
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